TEGELER SEGEL-CLUB e.V.
Segeln seit 1901 im Norden Berlins
tsc stander

Kunstgeschichte im TSC

Als der Mensch in frühster Zeit begann, sich die von der Jagd auf Mammuts beschmutzten Hände an Höhlenwänden abzuwischen, das war so kurz ein paar Jahre vor der Gründung des TSC, erfand er die Kunst. Die ersten Auswüchse jener Geisteshaltung, die später ranzige Fettecken und dreckige Badewannen hervorbrachte, muss man sich wohl als eine Art "Ich war hier, Uguhul 13. August 18437 v.Chr." vorstellen.

Doch schon damals war dem behaarten Ungetüm, welches sich da in den Höhle der Brandenburger oder südfranzösischen Alpen verewigte, eines mit dem modernen oder gar post-modernen oder gar-gar post-post-modernen Künstler gemein. Es wollte seine Umwelt für die Nachwelt abbilden. Von den ersten Kohlespuren bis zu Ölfarben war es bald ein ebenso weiter Weg, wie von den ersten rollenden Steinen bis zu "Alarm für Cobra 11". Im Laufe der Jahrhunderte wurde aus einer rau umrissenen Handfläche an einer verwinkelten Höhlendecke, das wohl anmutigste Antlitz einer jungen Dame, das auch Jahrhunderte nach seiner Entstehung den Menschen Rätsel aufgibt und Roman-Autoren mit Millionengagen in die Südsee katapultiert, wo sie sich im Beisein anderer holder Antlitze über ihre eigenen Verschwörungstheorien so sehr amüsieren, dass sie sich an ihren Viagra-Tabletten verschlucken.

Es war über all die Jahre seit den Höhlen nur ein kleiner Kreis gewesen, der die Gabe hatte, die Umwelt auf Pergament und Leinwand zu bannen. Was war es daher für ein Durchbruch für all die Klecksler und Über-den-Rand-Maler, als vor gut 150 Jahren jemand Silbernitratplatten in der Sonne vergaß und so den Grundstein für die AutoFocus-Spiegelreflex-Super-Sonstwas-Kamera legte. Endlich konnte jeder Hans und Franz mit Leinwand oder ohne ein getreues Bild seiner Umgebung und - in vielen Fällen für ein Künstlerauge viel schlimmer - von sich selbst machen. Zunächst jedoch war man analog gebunden und angewiesen auf Celluloid und Papier. Nein, das war es noch nicht. Ein Live-Stream von unserer geliebten Steganlage des TSC bei Sonnenaufgang würde ja in Sekunden schon Kilos wiegen und wie sollte man ihn dann zu Tante Erna nach Grevenbroich-Karpellen kriegen, ganz zu schweigen, was sollte Erna mit all dem Papier anfangen, nachdem sie genug gesehen hatte?

Es dauerte noch ein paar Jahre, bis auch die schöne Ritsch-Ratsch-Idiot!-Fotografie dem in jüngster Zeit alles analoge vernichtende Digitalismus zum Opfer fiel. Als ich jüngst bei Europcar eine Beule (natürlich vor Fahrtantritt) dokumentiert haben wollte, griff der schlecht gekleidete Techniker zu einer Polaroid-Kamera und versetzte mich somit um Äonen zurück in die Zeit, wo ich nach dem obligaten Weihnachtsständchen am Tannenbaum meiner Großeltern von Opa mit einer ebensolchen abgelichtet wurde und 10 Minuten lang frech wedelnd mit dem kleinsten Chemiebaukasten zwischen zwei PVC-Folien durchs Wohnzimmer rannte, bis meine Fratze aus dem grau-braun der chemischen Urbrühe auftauchte und sich langsam konservierte. Mich überfiel das unwiderstehliche Verlangen, dem Beulen-Dokumentations-Fachmann die Nummer des Technik-Museums zu geben, damit er dieses Relikt der Prä-Megapixel-Zeit artgerecht halten könnte.

Heute geschieht so etwas digital, nicht wahr? Und wenn Opa Enkels Fratze nicht gefällt, dann eben noch mal drauf und noch mal und noch mal. Bis der Lütte soviel Speicherplatz einnimmt, dass sämtliche Daten der Apollo Missionen 1 bis 13 reinpassen würden. Aber das macht ja nichts, man kann es ja wieder löschen. Nein, was für ein Unterschied zwischen den Alten Meistern der Nationalgalerie, die in oftmals geisteszermürbender Kleinarbeit mitunter über Jahre hinweg an einem einzelnen Porträt gewerkelt und gefeilt haben, bis auch der letzte Pinselstrich saß. Und jetzt? Löschen? Sind Sie Sicher?, Weg ist der Schädel. Und wo bleibt die Kunst? Mit einer modernen Kamera lichtet man genau ab, exakt und in einer Auflösung, dass man Nummernschilder noch aus der geostationären Umlaufbahn lesen kann (jedenfalls bei schönem Wetter). Die Kunst bleibt dabei auf der Strecke, welch Verlust!

Gut, dass es da den TSC gibt (in seiner höhlenmalerischen Tradition). Denn hier in den heiligen Hallen, besser gesagt am heiligen Giebel, war einer der größten Künstler des eingehenden 21. Jahrhunderts im Berliner Norden beheimatet. Es handelte sich dabei verständlicher Weise nicht um einen bedauernswerten Kameraden, der von seinem, ob schlechter Leistungen stark angesäuerten, Steuermann dort an die höchste Rah geknüpft wurde, sondern um eine digitale Kamera. Ursprünglich nur vorübergehend zur permanenten Bilderzeugung angeschafft, malte sie das digitale Abbild des TSC-Hafens für mehrere Jahre mit stoischer Regelmäßigkeit alle drei Minuten auf die Homepage und ließ sich dabei weder durch strenge, eissegelfähige Winter, noch durch heftig aufbrausende Kyrills oder spiegeleierbratend heiße Sommertage aus der Taktfrequenz bringen.

Bis zu einem dieser Tage im Frühsommer 2007. Da kam bei der Kamera das Künstlergen durch und sie fragte sich, warum denn immer den Himmel blau zu malen. Grün wäre doch auch ganz nett und außerdem würde das gerade ihrer chipmäßigen Stimmung entsprechen. Und so wurde die Kamera einer der führenden Impressionisten am See. Was sind schon blaue Pferde vor gelben Hügeln? Rotes Wasser mit lila Schiffen, das hat was.

Zunächst noch leicht amüsiert, mussten die die beiden Webmasters Kai und Nicki doch bald feststellen, dass die Kamera ihr eigenes Ding drehte und sich durch keine noch so gut gemeinte digitale Version einer Psychotherapie von ihrem Vorhaben abbringen ließ, die post-post-moderne Kunstwelt zu revolutionieren. Obwohl ein erster Heilungsversuch erfolgversprechend aussah, kamen die Kunst-Attacken immer häufiger, so dass schließlich im November die Kamera ganz von Ihrer Arbeit entbunden werden musste. Die beiden ließen sie zwar weiter arbeiten, entfernten sie jedoch aus der Internet-Öffentlichkeit. Man weiß ja schließlich nie, ob so etwas nicht mal später, sozusagen in einem digitalen Posthum, berühmt wird und dann hätte man noch ein paar tausend Bilder, die man zugunsten einer neuen Opti-Flotte bei Sotheby's an anonyme Bieter versteigern könnte.

Ersatz musste her und ein kurzer Blick ins Netz ernüchterte unsere Masters of Images. Eine neue Kamera, die dann bitte auch ein wenig mehr leisten können sollte, wie eine höhere Schärfe und bessere Auflösung, gab es zwar, doch zu welchem Preis. Sehr schnell hatten die beiden beim Marktführer Axis ein Model gefunden, welches schön und brauchbar war, doch ein Abgleich der Internetpreise und der TSC-Haushaltslage äußerte eine gewisse Inkompatibilität, die sich einer medialen Entsprechung des kleinen Jungen vor der Schaufensterscheibe des Spielzeugladens äußerte: Kai und Nicki saßen mit lechzenden, tränenerfüllten Augen vor den Demo-Bildern der Axis-Homepage und wussten, was das Wort Unerreichbar heißt. Und dann war da eines Tages im Juni dieses Gewinnspiel. Axis verloste monatlich eine Kamera für die Einsendung des besten Anwendungsfalls. Frohen Mutes Stift gezückt, formulierte Nicki einen Text, Kai übersetzte in das für die Schweden kompatible Englisch und ab dafür. Die beiden hatten ja nichts zu verlieren, als die Ketten der impressionalen Knechtschaft, die gerade ihre blaue Periode hatte. Doch von Axis kam nichts, keine Empfangsbestätigung und erst recht kein digitales Kleinod der CCD Technik. Auf Rückfrage wurde lediglich mitgeteilt, dass man ja dann wohl kaum gewonnen hätte. Enttäuschung mischte sich mit der Verzweiflung, dass der Künstler gerade die Farbe Orange für sich entdeckt hatte. Alles sah aus, wie die Schiffe von Knorri und Schober, das war nicht gut, gar nicht gut. Lösungen mussten her. Ja, Geld musste her.

Schließlich war es Fügung, dass über Olaf der Kontakt zum Yachtshop24 etabliert werden konnte. Jörg war bereit für einen guten Sponsoringplatz, direkt unter dem oft beschauten Webcam-Bild einen stattlichen Betrag zu zahlen. Endlich ging was. Intensiv durchstöberten die kunstgeschädigten Masters das Netz und fanden schließlich einen kleinen Taiwanesen, der einen guten Eindruck machte. Gekauft und installiert, Bild lief. Der Taiwanese namens Avio war ein guter Künstler und in der Lage schöne große Bilder zu machen. Doch leider hatte er ein Problem: Er fürchtete sich im Dunkeln. So ganz klar, warum das so war, wurde es nie, aber immer wenn das Licht ausging und das tat es ja mit permanenter Boshaftigkeit jeden Abend, verließ den kleinen Avio der Mut. Vielleicht hatte er Angst vor der großen dunklen Firewall oder vor einem bösen Wurm oder Virus, man wusste es nicht. Jedenfalls machte er erst mal seine IR-Lampen an. Während die ihm vielleicht in einem Büroraum oder Hauseingang geholfen hätten, die Angst zu vertreiben und wieder schöne Bilder, wenn auch nur noch in schwarz weiß, zu machen, strahlten die LEDs vom Dach des TSC in den weiten Berliner Nachthimmel und verscheuchten damit so gar nichts. Entmutigt gab Avio auf und schaltete sich bis zum Morgen ab. Wie jetzt? Keine Bilder in der Nacht, das war gar nicht gut. Kai und Nicki redeten dem Lütten mal so richtig gut zu und schließlich konnten sie ihn überzeugen, dass Berlin bei Nacht nicht unbedingt schlimm ist und dass gewisse Tätigkeiten auch in der Nacht ihren Reiz haben können. Jedenfalls machte der Kleene wieder Bilder, wenn auch kleene. Die Qualität war also alles andere als brillant, zumal sich Avios Augen auch nicht wirklich an die Nacht gewöhnten und es somit immer aussah, als hätte er noch eine taiwanesische Sonnenbrille für 5 Euro auf der Nase. Die Situation war vertrackt. Da war diese Künstlercam mit Ihren eigenwilligen Farben (gerade war es hellrosa, was die Stege in eine leicht puffige Atmosphäre setzte. Sollte man es sol lassen?) und dann dieser arbeitscheue Taiwanese mit Sonnenbrille, für den Kai sogar noch ein neues Programm geschrieben hatte, dass ihm einen ultracoolen Upload, sogar mit Wetterzeile, ermöglichte. Ja, Undank war der Welten Lohn.

Und in diese Lage platze ein Mail, welches in Nickis Spam-Ordner auflief und somit nur Dank der Adleraugen unseres Webmeisters der schon angeordneten Vernichtung entging. Axis gratulierte uns, unsere Story wäre so gut, wir hätten die Juni-Version des Wettbewerbs gewonnen. Wohin sollte man denn bitte die schicke Axis 210 Kamera senden? Das schlug bei den beiden Meistern ein, wie die Torte auf die Clownsnase, Jubelschreie aus Beatestraße und Gabrielenweg. Noch lauter wurde das Gebrüll, als Nicki durch geschickte Ausnutzung von gestelztem Englisch und Tränendrüse aushandelte, dass wir sogar die viel bessere Axis 211M erhalten würden. Es war als würde jemand den kleinen Jungen beiseite nehmen und ein großes Loch in die Scheibe vom Spielzeugladen schneiden und anschließend sagen, nun aber schnell. Axis sind Schweden und die sind schnell. Schon wenige Tage später (in Worten vier!) war die Kamera da. Rasant wurde sie installiert und in Betrieb genommen. Sie steht geschützt von Wolfgangs Weckergehäuse (keine Ahnung wie Familie Warzecha Senior nun jemals pünktlich zur Flaggenparade erscheinen will) hinter dem TSC Bullauge auf dem Dachboden und überblickt so sehr majestätisch den Hafen. Die Bilder sind genial, augenwässernd, wunderschön, postkartenträchtig. Doch schaut selbst. Klickt auf das Bild und holt Euch die maximale Größe auf den Schirm, so wirkt es am besten.

Impressionisten sind prima auf der Museumsinsel, aber wir lieben halt den Photorealismus!

Ganz großen Dank an Jörg vom yachtshop24.com, der alles erst möglich machte, und an Axis!

Kai Jürgens

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.