3-2-1 Dreher... Tegeler Jüngstenfestival / 2. Berliner 29er-Tage 2010
Theoretisch betrachtet ist Segeln ja ganz einfach: Für die gegebenen Umgebungsparameter gibt es exakt n=1 Sätze an Prozessgrößen, um den Zielwert v (Geschwindigkeit) gegen das lokale Maximum laufen zu lassen. Will sagen, für jede Kombination von Rumpfform, Rigggröße, Wassertemperatur, Windstärke und Windrichtung gibt es genau eine Kombination von Trimm, Rumpflage, Schwertposition sowie Segelstellung, um die maximale Geschwindigkeit zu erreichen.
Und eben genau diese letzte zu finden, macht Segeln in der Praxis schon recht schwierig. Beliebig kompliziert wird es dann aber, wenn sich die Eingangsgrößen ständig ändern, wie es auf dem Tegeler See nun mal täglicher Alltag ist. Und dabei ist die Signifikanz des Einflusses der Änderung umkehrt proportional zur Windstärke. Kurz gesagt: „Bei viel Wind kann jeder!“
Den etwa 80 jungen Seglern des diesjährigen Jüngstenfestivals und der 2. Berliner 29er Tage wurde die Tragweite dieses Spruchs am letzten Mai Wochenende ziemlich schnell deutlich. Kaum, dass sie am Samstag morgen aus dem TSC abgelegt hatten, mussten sie schon an der doch nicht ganz unerheblichen Fahrzeit zwischen Slip und Regattabahn feststellen, dass heute die Leichtwindschoten angesagt waren. Die 28 Optis, 14 Teenys und 12 29er trudelten mehr, als dass sie segelten, ins Regattagebiet, aber sie fuhren immerhin noch.
Während dessen ließ Jessi an Bord des JSC Prahms den Wind ein letztes Mal prüfen, bevor sie sich vor Hasselwerder vor Anker legte. Der Wind kam aus SO, sollte jedoch nach Süd drehen. Schnell war der Trapezkurs bis zur Liebesinsel gelegt und alle auf ihren Posten. Die Zielschiffe, die „Extrabreit“ von Nicki Warzecha und die „Luscht“ von Winne Falkenberg hatten die Tröte bereit. Am Lee Gate lauschten Holger und Gertjan gespannt dem Funkverkehr und verhielten sich still. Die ersten Starts pünktlich um 11 Uhr verliefen glatt. Doch schon auf der Kreuz zeigte sich, dass zum Regattasegeln halt mehr gehörte, als der optimale Trimm und die richtige Großschotposition. Der Wind begann zu drehen und verlangte von den jungen Masterpinnierern ein geübtes Auge um den schnellsten Weg von Luv nach Lee und umgekehrt zu sehen. Bei Opti und Teeny wurden gerade die Kreuzkurse zu einem Geduldspiel, so dass Jessi Nicki bat, das Zielschiff an die Tonne zu legen und die Jungsegler schon nach der zweiten Runde zu zeiten. Die 29er, leicht und wendig, kamen erwartungsgemäß mit den Bedingungen noch besser zurecht, so dass sie gleich noch eine zweite Wettfahrt fuhren, bevor der Wind dann ganz einschlief.
Gegen Mittag war die betaute Wiese platt, blank wie ein Babypopo... Doch die zeit wurde genutzt. Um Langeweile zu vertreiben verteilten die Tonnenleger, Jens und Flo und Olli und Kai die von Linda und Gerlinde mit Hingabe geschmierten Lunchpakete. Gut gestärkt wartete man also weiter. Ein leichtes Kräuseln, ein Hauch, es wurde stärker und kräftiger... Wind? Naja, wohl eher eine Brise. „3,5 kn!“ ernüchterte Hanne, der zusammen mit Benn das Dynamische Duo zur Bewegung des Prahms darstellte, die Wettfahrtleitung. „Zuwenig!“ konstatierte Jessi mit einem Blick in die neue Wettsegelordnung, die eine mindest Windgeschwindigkeit zum Start von 4 kn forderte.
Doch es wurde noch mal mehr und schon ging es los. Die Optis, leicht übermotiviert vom langen Warten, schossen schon viel zu früh über die Linie. Gesamtrückruf, auch der zweite Versuch misslang. Zur Strafe hieß es eine Runde warten. Jessi schickte die Teenys auf die Bahn. Endlich klappte dann auch der Opti Start. Noch während die Optis den richtigen Kurs zur Luv-Tonne suchten, kamen die 29er dran.
Doch der Wind war nicht gewillt, fair zu sein. Wieder und wieder drehte er zwischen 160 und 240°, wurde weniger, nahm wieder leicht zu und flaute weiter ab. Die 29er retteten sich ins Ziel, doch für Optis und Teenys sah es ganz mau aus. Man stand auf dem See in der Sonne und wartete. Faire Bedingungen sind anders. Nach langen Minuten hatte Jessi ein einsehen und brach die Wettfahrt ab. „November über Alpha! Heute nix mehr!“ kam es aus den Funkgeräten. Etwas gefrustet drehten die kleinen Boote gen TSC. Besonders diejenigen, die in erster Reihe gestanden hatten, ließen ihrer verständlichen Enttäuschung freien Lauf. Doch an Land und mit einem Hot-Dog leicht besänftigt, mussten auch die verwegensten Schotisten zugeben, dass es wirklich besser gewesen war, für heute den Spaß zu beenden, zumal der See inzwischen wieder als Kosmetikspiegel dienen konnte und für den nächsten Tag ja mehr Wind angesagt war.
Mehr Wind und Regen, evt. mit Gewitter sollte der Sonntag bringen. Aber morgens um 10 Uhr zum ersten Start war davon nicht viel zu sehen. Aus dem bewölkten Himmel kam wieder nur ein laues Lüftchen. Der Wind, oder eher das Windchen, kam aus Ost und zeigte sich noch unstetiger als am Vortag. Mühsam versuchten die Tonnenleger den Kurs so auszuzirkeln, dass trotz massivster Dreher noch ein einigermaßen fairer Wettbewerb ermöglicht wurde. Jessi startete die drei Klassen und sah auf die Kreuz. Das, was eben noch perfekt gelegen hatte, sah nun recht unschön aus. Mit einem gemütlichen Anlieger konnten die Boote zur Luv-Tonne gelangen. Der outer Loop war etwas besser gelegen, doch für den Down Wind der 29er sah es böse aus. Also entschied sie sich diese Klasse schon unten am Startschiff ins Ziel zu nehmen. Die Teeny und Optis kamen schon nach einer Runde Außen wieder bei Nicki ins Ziel.
Doch es wurde noch schlimmer. Wieder nahm der Wind ab und als es wieder los ging schien er mehr aus Süd zu kommen. Also verholte sich Jessi von Ihrer Position vor der Försterbucht vor Hasselwerder. Die Tonnenleger zogen das Dreieck nach. Doch nun zeigte der Wind seine ganze Fiesheit und drehte und schwankte, so dass man an diesem Tag alles sein wollte, aber kein Wettfahrtleiter. Eine ganze Reihe von Starts mussten abgebrochen oder per Gesamtrückruf zurückgeholt werden, weil der Wind kurz vor oder während des Starts es sich mal wieder anders überlegte. Die Zeit bis zur letzten Startmöglichkeit tickte unbarmherzig runter. Die Segler murrten und maulten.
Schließlich gab es einen Lichtblick: Felix Krabbe, Ex-Olympionik in Athen und somit wohl mit dem griechischen Windgott auf Du und Du, unterstütze Jessi und verlegte Startschiff und Tonnen ein letztes Mal. Und als ob die Lüfte ihm gehorchten, legten sich 2-3 Beauforts satt und gleichmäßig in den von ihm gesteckten Kurs. Da war es auch egal, dass der Himmel die Schleusen öffnete und einen wahren Platzregen auf die Teilnehmer niederbrachte. Endlich war der Wind da! Die Linie lag, die Tonnen auch und Jessi konnte starten. Die Optis und Teeny jagten auf den Outer Loop zu, während die 29er schon den Down Wind unter Genacker herunter donnerten. Viel hatte sich in dieser Bootsklasse im letzten Jahr, nachdem die ersten 29er Tage auch die erste ernst zunehmende Regatta im Berliner Raum war, getan. Dank der Trainerleistung von Sebastian und vielen Übungskursen der Segler, war aus dem etwas unbeholfen wirkenden Kippelding des letzten Jahres ein rassiges Regattatier geworden, dem es gerade bei etwas mehr Wind sehr viel Spaß machte zuzuschauen.
Nach insgesamt 4 Wettfahrten bei den Optis, 5 bei den Teeny und 7 bei den 29er standen die Sieger fest. Die Optis gewann Anna Held (SCG) vor Björn Barthel (SCG) und Jessica Herrmann (SCS). Die Teeny Konkurrenz holten sich Erik Kliche und Tom Hammer (TSV) vor Arno v. Salisch und Florian Staehr (YCM/SV03) sowie Fabian Marx und Ann-Kristin Hofmann (KaR). Aus TSC-Sicht besonders erfreulich war das 29er Ergebnis, wo die Brüder Enno und Theo Trebs mit 7 Punkten aus 6 Wertungsfahrten das Feld souverän dominierten. Ihnen folgten Myra und Laura Biedermann (SKN) und Leonard Gabriel und Marcel Ambrasas (SCO).
Trotz einer langen Durststrecke zu Beginn bekamen die Jüngsten dann doch noch ihr Festival und wurden für so machen Dreher und so viele ausgebliebene Böen entlohnt. Wir freuen uns aufs nächste Jahr, wenn die Besten der Jüngsten wieder bei uns zu Gast sind und wir statt „3-2-1 Dreher!“ wieder rufen können „3-2-1 Start!!“ (Hoffentlich...)
Kai Jürgens