TEGELER SEGEL-CLUB e.V.
Segeln seit 1901 im Norden Berlins
tsc stander

Haben Sie schon mal mit Adrenalin im Blut gefrühstückt? Oder sich zu zweit mit einem Kater von der letzten Nacht bei 30°C auf ein 470 cm langes Boot gesetzt um mehrere Stunden in der Sonne zu braten, weil vielleicht doch noch Wind kommen könnte? Oder haben Sie vielleicht schon einmal mitten auf der A9 ihren Campingkocher aufgebaut um eine Dose Hühnersuppe lauwarm zu erhitzen? Nein!!! Na dann haben sie auch noch keine ganz normale Regattasaison hinter sich gebracht.

Seit meinem 9 Lebensjahre sitze ich in den verschiedensten Jollen. Angefangen hat natürlich alles mit dem Optimisten, weiter ging es dann mit dem 420er. Kurze Zeit verweilte ich auch auf dem Laser und schließlich landete ich im 470er. Kleinere Ausflüge in andere Bootsklassen, wie zum Beispiel auf den Teeny, Piraten oder Laser II, blieben selbstverständlich auch nicht aus. Man muß ja alles mal gemacht haben, bevor man über dies oder das lästern kann. Letztendlich gefiel mir dann aber doch der 470er am besten und dies nicht nur wegen den anfangs erwähnten Erlebnissen. Beim 470er handelt es sich um eine der weit verbreitesten Bootsklasse der Welt. Für die 2- Frau- oder Mann-Besatzungen werden neben zahlreichen nationalen Regatten auch Wettfahrten rund um den Globus organisiert. Das größte Event der Klasse findet jedoch nur alle vier Jahre statt. Die Teilnehmer sind streng limitert, und nur ein Boot pro Nation darf zu den Wettfahrten antreten. Und einige wenige, nämlich genau für diejenigen, zu denen ich mich auch zählen möchte, kämpfen um eines dieser begehrten Tickets: Eine Fahrkarte zu den Olympischen Spielen.

Es gibt aber auch noch ganz andere Menschen im 470er. Denen sind Teilnahmen an Welt- und Europameiterschaften so ziemlich egal, sie wollen nur das eine: FUN und möglichst viel Abwechslung von ihrem Alltag im Büro.  Genau dieses bietet die 470-Klasse eben auch, und das ist auch gut so, „denn etwas Spaß muß sein“! Die Clique, die sich mindesten einmal pro Monat in einem der zahlreichen deutschen Häfen trifft, ist ein lustiger Trupp aus völlig verschiedenen Alters- und Berufsgruppen. Alle haben nur eines gemeinsam: Sie segeln zu zweit, haben ein Auto, einen Anhänger und einen 470er.

Einen 470er unter dem Hintern zu haben kann auf den ersten Blick schon etwas langweilig wirken, es gibt ja auch keine Kajüte, keinen Kocher, und auch keine Badeleiter. Setzt man sich aber mal bei Windstärken um 3-4 Bft auf diese Kisten und versucht auf der Ostsee möglichst flott die Wellen hinunter zu surfen, fängt man ganz schnell an mehr davon zu wollen. Segelt man dann erstmalig bei Windstärken von 7-8 Bft., wünscht man sich zu ersteinmal an das andere Ende der Welt. Erreicht man dann aber gesund und munter den Hafen, merkt man wieviel Power in seinem Körper gesammelt hatte und wie geil dieses Gefühl war mit seinem kleinen Boot in mitten der beängstigenden Naturgewalt herum zu sausen. Und genau dieses Gefühl, welches man nicht so recht beschreiben kann, ist es was den 470er auszeichnet.

Man braucht schon einige Jahre um das Boot einigermaßen bei solchem Wetter zu bändigen. Hat man es aber geschaft, seinem Boot zu verklickern was es wann und wie tun soll, fällt es einem immer leichter riesigen Spaß auf den Schiffen zu haben. Man kommt manchmal in einen richtigen Geschwindigkeitsrausch, wenn man raumschots eine Welle nach der anderen überholt und von jedem Kam hinunter ins Tal schaut wie bei einer Achterbahnfahrt bei der es nur hoch und runter geht.

Manchmal überschätzt man sich jedoch auch mal und der 470cm lange GFK-Rumpf dreht sich auf die ungewohnte Seite. Dann darf man sich kurze Zeit im statt über dem Wasser aufhalten und versuchen aus der treibenden Insel wieder ein Segelboot zu machen.

Natürlich besteht das 470er-Segeln nicht nur aus der gewohnten Wasserarbeit, die lästigen Reperaturen und Ausbesserungen verderben einem da doch schon einmal den Spaß. Ohne Fleiß kein Preis, oder besser gesagt erst die Arbeit und dann das Vergnügen! Wenn man aber seinen individuellen Ausbau perfektioniert hat, freut man sich beim nächsten mal segeln gleich doppelt. Neben der Bootpflege beschäftigen wir uns besonders im Winter aber auch mit unserer Körperpflege. Mehrere Triningstermin in Sporthallen und Fitnissräumen werden alljährlich für uns bereitgestellt. Dort können wir uns meist bis zum Erbrechen von den Strapazen der Sommermonate erholen und das Rauschen der Wellen gegen das quietschen der Hanteln eintauschen. Zwischendurch kann es dann immer mal passieren, daß man Sylvester in einem ganz anderen Land feiert. Solche Reisen werden meist dazu verwendet die lange Winterpause durch verschiedene Trainingslager zu überbrücken, keiner darf schließlich ganz aus dem Trott herausfallen.

Jeden Sommer findet für die meisten der Zielwettkampf statt, die Internationalen Deutschen Meisterschaft. Irgendwo in Deutschland treffen sie sich dann alle, um einen Deutschen Meister auszusegeln. Dieser Höhepunkt ist einer der beliebtesten und best besuchtesten Regatten der Nation. Den rein aus der Erfahrung weiß ein 470er-Segler, daß genau bei dieser Veranstaltung die Post abgeht. Weniger auf dem Wasser, dafür um so mehr an Land. Nur Narren und Klassenfeinde meiden diese Regatta, dabei wissen sie meist gar nicht was sie verpassen.

Alles im allen glaube ich, daß die 470er-Klasse eine der größten Klassen überhaupt ist, sei es von den Ansprüchen her die das Boot an einen selbst stellt oder auch von den zahlreichen Feten die nebenbei laufen. Man sollte schon eine ziemlich originelle Ausrede parat haben, wenn man sich bei andere Bootsklassen einnistet und dem 470er den Rücken zu kehrt.

Ahoi und viel Spaß mit dem 470er, wünscht Euch

Felix Krabbe

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