Nach Abschluss des SBF Binnen im Sommer 2016 und dem Erwerb meines Bootes `Marie` im darauf folgenden Herbst, reifte in meiner ersten Saison 2017 auf dem Tegeler See der Plan, in der kommenden Saison 2018 einen ersten Törn einhand auf den umliegenden Gewässern anzugehen.
Die Idee. Solo vom TSC aus zunächst mit nördlichen Kursen zum Niederneuendorfer See, zum ersten, nah gelegenen Etappenziel, der nördlichsten Ankerbucht der Reise. Von dort zurück mit südlichen Kursen, Mast legen und weiter unter Motor zum Wannsee. Nach dem `Ersegeln` des Reviers mit 2 Stopps in Vereinen an der Havel dann weiter mit erneut gelegtem Mast durch Potsdam, über den Templiner See zum Schwielowsee, an dessen südöstlichen Ufern der südlichste Punkt der Reise erreicht ist. Die Idee `Nord Süd Fahrt, einhand.` war geboren!
Die Planung. Früh stand das Zeitfenster Mitte Juni fest und es galt nun entlang des Weges Vereine zu finden, bei denen ich übernachten und auch zum Mast legen und stellen anlegen konnte. Gar nicht so einfach, da in den Vereinen unter der Woche nicht immer jemand vor Ort ist. Etappe für Etappe ließen sich hilfsbereite Kameraden gewinnen und so entstand ein immer genauer werdendes Bild des Ablaufs. Kurz vor der Reise fiel die Schleuse Spandau aus, das hieß umplanen ! Der Zugang zum Wannsee war nun nur noch über den Umweg Schleusen Plötzensee und Charlottenburg möglich.
Die Ausrüstung. Im Grunde ist die `Marie` vollständig ausgerüstet für eine solche Fahrt. Zusätzlich habe ich mir Fender Bretter gebaut, aus Bauhaus Terrassendielen. Einen Schleusenhaken habe ich noch besorgt, und aus dem Verein konnte ich eine Feststoffschwimmweste an Bord nehmen, die ich z.B. bei Schleusenmanövern und Segel bergen auch trug. Ein GPS habe ich nicht an Bord, so habe ich auf meinem I Phone die i sailor app geladen und die entsprechenden Karten gekauft, weniger zum Navigieren als vielmehr zum tracken meiner Wege. Auch Papier Karten habe ich zuvor studiert und natürlich mit auf dem Weg. Das Wetter habe ich lokal gut beobachten können, darüber hinaus habe ich mir die Vorhersagen täglich bei Kachelmannwetter.de und bei wetter.com angesehen.
Dann ging es los. Am Sonntag, den 10.06.2018 gegen Mittag hieß es dann Leinen los, es war ein heißer, schwüler Tag. Schon auf dem ersten Schlag unter Groß und Genua hatte ich Schwierigkeiten meinen Kurs zu halten, der See war von einem großen Regattafeld nahezu vollständig `belegt`. Kurze Zeit später setzte dann auch noch leichter Regen ein… nach so kurzer Zeit wieder umkehren? Nein, ich hatte mir vorgenommen, mich auch von widrigsten Umständen nicht abhalten zu lassen. Schließlich barg ich die Segel und warf den Motor an. Aus westlicher Richtung drohte das nächste Unheil, dunkle Gewitterwolken. Ich entschied am südlichen Eingang zum Niederneuendorfer See eine schützende Bucht anzulaufen. Der Anker hatte gerade erst gegriffen als es auch lospolterte. Ich blieb über Nacht.
Der Niederneuendorfer See. Am nächsten Morgen, es ist Montag, der 11.06., ist herrliches Segelwetter. Unter Groß und Genua ist mein erstes Etappenziel, die nördlichste Bucht der Reise, schnell erreicht. Das wurde mit einer Hopfenbrause entsprechend gefeiert, bevor ich meine erste Nacht in einem Gastverein, bei den Fahrten-Seglern Jörsfelde FSJ, verbrachte. Am nächsten Tag, dem 12.06. hat das Wetter gedreht, bewölkter Himmel und böiger Westwind ließen mich entscheiden, unter Motor die Strecke zu meinem zweiten Gastverein zu fahren. Das erste Mal mit südlichen Kursen ging es zum Polizeisportverein, PSV, wo ich bereits am Steg erwartet wurde zum Mast legen. Nur eine Stunde später ging es wieder weiter.
Die erste Schleusenfahrt. Als Gast hatte ich bereits Schleusen gefahren aber nie als Skipper und schon gar nicht einhand. Aber geübt hatte ich, vor meiner Reise, anlegen, auf Mittelklampe das Boot halten, ablegen und von vorn, einen ganzen Tag lang, zur Erheiterung der Kameraden. Durch die havarierte Spandauer Schleuse galt es nun zwei Schleusen zu passieren. Bis auf einen kleinen Anlegepatzer an der Wartestelle zur Schleuse Charlottenburg bin ich super durchgekommen, ich war stolz!
Unterhavel und Wannsee. Nach den Schleusen und der Stadtfahrt durch Spandau wurde ich in meinem nächsten Verein, dem Yacht Club Frithjof, YCF bereits erwartet. Flott war der Mast wieder gestellt, ich war happy aber auch geschafft, als mich der erste Rückschlag der Reise ereilte. Am Abend hatte ich plötzlich keinen Strom mehr an Bord, trotz Landstromleitung. Am Morgen des Folgetages, dem 13.06., war mit Ferndiagnose eines Bootselektrikers schnell klar: Das Ladegerät hat sich verabschiedet. Schnell war ein Neues gefunden und meine Segelfreundin Kerstin versprach, das Teil im Bauhaus zu erwerben und mir in meinen nächsten Hafen, in den Deutsch-Britischen Yacht Club, DBYC zu bringen. Ich machte am Stössensee los und erschloss mir unter Segeln Unterhavel und Wannsee. Für einen Tegeler ist das groß, sehr groß!
Unterhavel und Wannsee. Nach meinen ersten Schlägen über die Unterhavel machte ich am Abend im DBYC fest und nahm mein neues Ladegerät in Empfang. Das war dann bis zum frühen Nachmittag des 14.06. damit beschäftigt, meine entladene Batterie wiederzubeleben. 2 Tage und drei Nächte bin ich im DBYC geblieben und habe ausführlich Unterhavel und Wannsee erforscht, leider bei sehr wenig Wind und hohen Temperaturen. Am Morgen des 16.06. habe ich mich von den Briten Verabschiedet und bin über einen kleinen Schlenker in die schöne Lankebucht zum meinen nächsten Verein, dem Segel-Club Oberspree, SCO. Hier segelt meine Schwägerin Anja, die nebst Neffe Anton und Freund Lennard am Folgetag an Bord kamen, es ist Sonntag, der 17.06. Wir hatten einen herrlichen Tag, mit auffrischenden Winden, Baden, Kochen, Tauchen und ganz viel Spaß. Am Abend hieß es dann wieder Mast legen im SCO.
Motorfahrt zum Schwielowsee. Am Morgen des 18.06. ging es dann los, durch eine geschichtsträchtige Landschaft, an der Heilands Kirche Sakrow vorbei, unter der Glienicker Brücke her, durch Potsdam (Vorsicht Seilfähren) über den Templiner See bis zum Schwielowsee. Das Tagesziel war das vornehme Resorts Schwielowsee, der Hafenmeister stand schon bereit um zu helfen den Mast wieder zu stellen.
Der Schwielowsee. Nach der mehrstündigen Motorfahrt konnte ich es kaum erwarten den Schwielowsee zu ersegeln, ich war teilweise das einzige Segel auf dem See. Das Revier ist mit ein wenig Vorsicht zu genießen, es ist in weiten Teilen sehr flach. Nach fast drei Stunden zähen Kreuzens gegen an war dann das zweite Ziel an den südlichen Ufern des Schwielowsees erreicht: Der südlichste Punkt der Reise, Nord Süd Fahrt geschafft! Ich ging in einer malerischen Bucht vor Anker und blieb… Meine Bucht taufte ich Butterfly Bay, es wohnen viele Zitronenfalter an den Ufern, die neugierig zu mir herüberflatterten. Den 19.06. habe ich komplett in meiner Bucht verbracht und sehr genossen. Am Vormittag des 20.06. ging es dann erstmals wieder mit nördlichen Kursen zur letzten Station der Reise.
Das Resort Schwielowsee. Für die letzte Nacht hatte ich mir die Marina des Resorts Schwielowsee ausgesucht. Hier weht dem Segler die mondäne Luft einer echten Marina um die Nase, mit Duschen, Wasser und Landstrom, eingebettet in das Park ähnliche Gelände des noblen 4 Sterne Hauses. 30,50 Euro waren beim Einchecken für den Liegeplatz fällig. Dann galt es ein letztes Mal den Mast zu legen und die lange Motorfahrt nach Hause zum TSC vorzubereiten. Am Abend dann, mit dem letzten sauberen Hemd angemessen gekleidet, habe ich das Hotel und das Gelände genossen, gutes Essen, leckere Cocktails, knarrende alte Ledersessel, Ölschinken an den Wänden, sehr vornehm das Ganze. Allzu spät ist es dann aber nicht geworden, ein langer Tag stand bevor und es waren Gewitter angekündigt …
Die Heimfahrt. Um kurz nach fünf war ich am Donnerstag, den 21.06. wach, hab mir noch mal eine Dusche gegönnt, klar Schiff gemacht und dann Leinen los. Es war ein heißer, schwüler Tag und rings umher schossen die Cumulonimben in die Höhe. Ich war schon durch Spandau durch, die Schleuse Charlottenburg war sicher passiert, da hat es mich erwischt. Kurz vor der Wartestelle zur Schleuse Plötzensee brach die Hölle los, Sturmböen und Starkregen ließen mich nur mit Mühe mein Boot an der Wartestelle festmachen. Hinter mir machte ein ebenfalls einhand reisender Segler fest. Seinem Zuspruch hab ich letztlich zu verdanken, dass ich in Sturm und Regen losmachte, fast quer schlug, um dann beherzt und mit reichlich Gas dem Kameraden in die Schleusenkammer zu folgen. Es ist gut gegangen, ich war nass bis auf die Haut, als ich schließlich in meinem Heimatverein im TSC festmachte. Was für ein Finale!
Statistik: 119 gefahrene sm, davon 56 unter Segeln, 63 unter Motor, 26 x An- und Ablegen an fremden Stegen, 10 x Anker ab und auf, 5 angelaufene Vereine und eine Marina, 4 x Schleusen, 3 x Mast gelegt und wieder gestellt.
Fazit: Ich war nie weiter weg von meinem Wohnort Tegel als etwa eine Autostunde und doch habe ich mich gefühlt, als sei ich in weite Ferne gesegelt. Es war alles dabei, herrlichstes Segeln, Flaute, Sturm und Regen, versagendes Material und herrlichste Natur. Es muss nicht immer die Ostsee oder gar der Atlantik sein, eine solche Reise wird auch Dir ein ganz neues Bild Deines Heimatreviers aufzeigen.
Während meiner Reise habe ich eine Menge Fotos und Videos gemacht, die ich zu einem etwa 30 minütigen Film zusammengeschnitten habe. Zu finden ist er hier:
Aus den GPX Dateien des i sailor Trackers habe ich in Google My Maps zwei interaktive Karten zusammengestellt, da ist wirklich jeder Kringel zu sehen.
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